Albert Drach Werke Studienausgabe
Albert Drach Works Critical Edition
Wissenschaftsdisziplinen
Geschichte, Archäologie (10%); Rechtswissenschaften (10%); Sprach- und Literaturwissenschaften (80%)
Keywords
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Albert Drach,
Emigration And Re-Immigration,
Critical Edition,
Protokollstil
Albert Drach, 1902 in Wien geboren, ab 1935 als Rechtsanwalt tätig, im Oktober 1938 emigriert, 1947 / 48 wieder nach Österreich zurückgekehrt, hat - trotz großer literarischer Erfolge in den sechziger und späten achtziger Jahren - noch immer nicht den ihm gebührenden Platz im Kanon der deutschsprachigen Literatur gefunden. In der Zwischenkriegszeit gelang ihm der literarische Durchbruch nicht. Für die in diesen Jahren und im Exil geschriebenen Werke (z.B. "Das Satansspiel vom göttlichen Marquis", die meisten der "Kleinen Protokolle", der erste Roman "Das Protokoll gegen Zwetschkenbaum") fand sich im restaurativen Klima der Nachkriegsjahre kein Verleger. 1964 schien sich eine Wende anzubahnen, Drachs "Zwetschkenbaum"-Roman erregte Aufsehen in der literarischen Öffentlichkeit. Freilich war die missverständliche Etikettierung des Autors als Relikt altösterreichischer Tradition - konservativ-skurril la Herzmanovsky-Orlando - der weiteren Rezeption der nun erscheinenden achtbändigen Gesamtausgabe nicht gerade förderlich. Sein Emigrationsbericht "Unsentimentale Reise" (1966) wurde als Tabubruch empfunden. Einiges Interesse erregte noch die "Untersuchung an Mädeln" (1971). Dann verschwand Drach für fünfzehn Jahre nahezu aus der öffentlichen Wahrnehmung. Erst 1988, mit der Verleihung des Georg-Büchner-Preises, setzte die Wiederentdeckung des Autors ein, die Hand in Hand ging mit einer völligen Neubewertung des Oeuvres. Eine systematische und kontinuierliche Neuausgabe seiner Werke war geplant, wurde aber zu Drachs Lebzeiten - er starb 1995 - nicht realisiert. Eine kritische Edition dieses bedeutenden schriftstellerischen Lebenswerkes ist also mehr als überfällig. Die Voraussetzungen dafür sind günstig, da Drachs Nachlass im Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek betreut wird und mittlerweile detailliert aufgearbeitet ist. Die geplante Neuausgabe in zehn Bänden soll nicht nur vergriffene und unveröffentlichte Texte umfassen, sondern vor allem auch eine kritische Revision der bisher publizierten Werke ermöglichen. Sie soll einerseits, im Sinne einer Leseausgabe, einem interessierten Publikum die Werke Drachs zugänglich machen, andererseits, im Sinne einer Studienausgabe, als Basis wissenschaftlicher Beschäftigung dienen können. Die einzelnen Bände bieten den integralen Text der Werke, jeweils revidiert auf der Basis der im Nachlass erhaltenen Textzeugen; die Anhänge enthalten ein "erzählendes" Nachwort, in dem eine Interpretation der jeweiligen Texte versucht wird; daran schließt ein Dokumentarteil an, bestehend aus einem Lesartenapparat in Auswahl in Verbindung mit ausgewählten Faksimiles, einer Darstellung der Werkgenese, einer Bibliographie sämtlicher Ausgaben und der Sekundärliteratur.
Durch die vom Wissenschaftsfonds geförderte und seit dem Jahr 2002 im Zsolnay-Verlag erscheinende Werkausgabe Albert Drachs konnte die Präsenz dieses Autors, der 1988 mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet wurde, bedeutend gefestigt werden. Bereits die bisher vorliegenden Bände haben die Voraussetzung dafür geschaffen, daß Drach der ihm gebührende Platz in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur eingeräumt wird. Das Konzept einer kommentierten Leseausgabe, das nicht nur die Bedürfnisse der literaturkritischen Wissenschaft, sondern auch einer interessierten Leserschaft erfüllt, hat sich bewährt. Albert Drach, der als Jude verfolgt wurde, um dann im französischen Exil unter schwierigsten Bedingungen zu überleben, bevor er sich 1947/48 zur Rückkehr entschloß, hatte als Autor jahrzehntelang unter seiner Vertreibung aus der Heimat und den schwierigen Remigrations- Verhältnissen zu leiden. Der im Österreichischen Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek verwahrte Nachlaß, in dem sich Dokumente der Produktions- und Rezeptionsbedingungen im Exil und im geschichtsverdrängenden Wiederaufbau-Österreich finden, konnte von der Projektmitarbeiterin, die diesen Nachlaß aufgearbeitet hat, für die Ausgabe fruchtbar gemacht werden. Außer dem Kriminalprotokoll "Untersuchung an Mädeln", liegt nun auch Drachs autobiographisch fundiertes Werk, bestehend aus dem Roman der Zwischenkriegszeit "Z.Z. Das ist die Zwischenzeit", dem Emigrationsbericht "Unsentimentale Reise" und dem Tagebuchroman "Das Beileid", komplett vor. Ein Gedichtband, in dem erstmals Drachs umfassendes poetisches Oeuvre erfaßt wurde, ist druckfertig und enthält außer den "Entblößungen" seiner Jugendjahre, auch die im Exil entstandenen, meist gereimten "Erbarmungen" sowie die "Ermordungen", in denen er die Verfolgung durch die Nationalsozialisten, in meist reimlosen Kurzgedichten thematisiert. "Die zahlreichen Umschreibungen" in Drachs Werk "verlangen nach einem Kommentar" (Wendelin Schmidt- Dengler im Nachwort zu "Z.Z. Das ist die Zwischenzeit", Zsolnay: 2003, S. 386). Drachs Bedeutung resultiert nicht zuletzt daraus, daß er sowohl in seinem autobiographisch fundierten wie in seinem fiktiven Werk eine eigene Sprache für die Erfahrung der Verfolgung gefunden hat: den "Protokollstil", in dem nicht alle, aber einige seiner epischen Werke verfaßt sind. In diesem Stil protokolliert er systematisch und methodisch gegen seine Helden, die immer auch Opfer sind. Durch ein erzählendes Nachwort und einen wissenschaftlichen Kommentar wird dem zeitgenössischen Publikum Drachs so bedeutendes wie sperriges Werk im persönlichen und historischen Kontext zugänglich gemacht.
- Universität Wien - 100%