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Emotionale Verarbeitung bei Chorea Huntington

Emotional processing in Huntington´s disease

Anne Schienle (ORCID: 0000-0003-2173-6626)
  • Grant-DOI 10.55776/P20779
  • Förderprogramm Einzelprojekte
  • Status beendet
  • Projektbeginn 01.05.2008
  • Projektende 30.04.2010
  • Bewilligungssumme 91.402 €
  • Projekt-Website

Wissenschaftsdisziplinen

Klinische Medizin (30%); Medizinisch-theoretische Wissenschaften, Pharmazie (10%); Psychologie (60%)

Keywords

    Huntington's disease, Emotion Experience, Disgust, Disgust Sensitivity, Emotion Recognition, Progress Of Disease

Abstract Endbericht

Bei PatientInnen, die unter Chorea Huntington leiden, wurde wiederholt ein Defizit in der emotionalen Verarbeitung festgestellt, das die Klassifizierung von mimischen Ekelsignalen betrifft. Befunde zur Emotionsselektivität dieses Defizits sind jedoch uneinheitlich und könnten durch den Einfluss verschiedener Moderatorvariablen, wie Syndromschwere, habituelle Emotionsneigung sowie auf das Geschlecht bedingt sein. Ebenso ist nicht klar, ob die Störung der Ekelerkennung mit der Atrophie in spezifischen Hirnregionen (z.B. Striatum, Insula) assoziiert ist. Schließlich wurde noch nicht untersucht, ob neben der Dekodierung mimischer Ekelsignale auch das Ekel-Erleben bei visueller Emotionsinduktion beeinträchtigt ist. Dieser Aspekt bildet die Hauptfragestellung der geplanten Untersuchung mit Test-Retest-Design. Es sollen 60 GenträgerInnen (20 präsymptomatische, 20 mit geringer und 20 mit moderater Symptomatik) sowie 60 gesunde KontrollprobandInnen vergleichbaren Alters, Geschlecht und sozioökonomischen Hintergrundes untersucht werden. Diese betrachten 24 emotionsinduzierende Szenen (Ekel, Angst, Freude auslösende und affektiv neutrale Bilder) und 42 Bilder mit affektiver Mimik (Ekel, Angst, Traurigkeit, Freude, Überraschung, Ärger, Neutral). Die Aufgabe der ProbandInnen ist es einzustufen, wie stark die Emotionen durch die Bilder bei ihnen ausgelöst wurden bzw. wie stark die abgebildete Person die Emotionen erlebt hat. Ein Fragebogenkatalog dient der Erfassung habitueller Emotionsneigungen (Ekelempfindlichkeit/-sensitivität, Ängstlichkeit, Angstsensitivität, Aggressivität, Depressivität, Extraversion). Außerdem werden im Rahmen der Studie ausführliche neurologische und kognitive Tests durchgeführt (Unified Huntington Disease Rating Scale, Apraxie Tests nach Goldberg und de Renzi, Test zur Früherkennung von Demenzen, Rey Complex Figure Memory Test, Trail Making Test, California Verbal Learning Test, Stroop Colour and Word Test) sowie hirnstrukturelle Daten (Volumen sogenannter Regions of Interest: Insula, Striatum, Amygdala, OFC) erhoben. Die zeitliche Stabilität der Befunde wird durch eine wiederholte Untersuchung mit gleichem Design nach einem Jahr bzw. zwei Jahren überprüft. Es wird erwartet, dass Huntington-PatientInnen im Vergleich zu gesunden KontrollprobandInnen sowohl Defizite im Ekel-Erkennen als auch -Erleben aufweisen. Mit Zunahme der Symptomschwere sollten sich die Defizite in der Ekelverarbeitung vergrößern.

Chorea Huntington (HD) ist eine autosomal-dominant vererbte neurodegenerative Krankheit, welche durch eine abnorme Verlängerung einer Sequenz aus wiederholten CAG-Tripletts (Cytosin-Adenin-Guanin) auf Chromosom 4 bedingt ist. Eine Verlängerung über 35 CAG-Tripletts ist mit einem Ausbruch der Krankheit verbunden. Der zerebrale Abbau beginnt im Bereich der Basalganglien und hat eine fortschreitende Verschlechterung der motorischen Funktion, psychiatrische Störungen und kognitive Beeinträchtigungen zur Folge. Ein spezifisches Defizit betrifft die Identifizierung emotionaler Gesichtsausdrücke. Bisherige Studien fanden bei symptomatischen HD PatientInnen und präsymptomatischen Trägern des Huntingtin-Gens eine selektive bzw. überproportional ausgeprägte Beeinträchtigung beim Erkennen von Gesichtern, die Ekel ausdrücken. Ziel dieser Studie war es, festzustellen, ob die Beeinträchtigung im Ekelerkennen stärker ist als beim Erkennen anderer Basisemotionen und ob dieses Defizit auch das Ekelerleben betrifft. Wir untersuchten Emotionserkennen und -erleben bei asymptomatischen Genträgern und symptomatischen HD Patienten in Vergleich zu gesunden KontrollprobandInnen mit vergleichbarem Geschlecht, Alter und Bildungsstatus. Symptomatische PatientInnen wurden nach einem Jahr wiedergetestet. Die ProbandInnen wurden ersucht, die Intensität emotionaler Gesichtsausdrücke zu beurteilen, die sechs unterschiedliche Basisemotionen (Ärger, Ekel, Angst, Traurigkeit, Freude, Überraschung) und einen neutralen Gesichtsausdruck abbildeten. Außerdem wurden die Testpersonen ersucht, die Intensität anzugeben, mit der sie Szenen erlebten, die drei verschiedene Basisemotionen auslösen sollten (Ekel, Angst, Freude), sowie für emotional neutrale Szenen. Die Wahlmöglichkeiten waren über die sechs Basisemotionen abgestuft (1 `sehr wenig intensiv` bis 9 `sehr intensiv`). Zusätzlich wurden Maße der habituellen Emotionsreaktivität und bei PatientInnen die Symptomschwere erhoben. Symptomatische PatientInnen und vergleichbare Kontrollpersonen unterzogen sich zur Untersuchung von Beziehungen zwischen Emotionserkennen und Volumsverlust bei der grauen Substanz einer strukturellen Magnetresonanztomografie (MRT) in einem 3T Scanner. Die Analysen zur Emotionsverarbeitung ergaben bei HD PatientInnen im Vergleich zu Kontrollpersonen niedrigere Intensitätsbewertungen der Zielemotionen für Gesichtsausdrücke, die Ärger, Ekel, Traurigkeit und Überraschung zeigten. Dies weist auf ein quantitatives Erkennungsdefizit bei PatientInnen mit HD hin. Außerdem fanden wir bei PatientInnen und Kontrollpersonen Fehlklassifikationen von Angst als Überraschung, während nur PatientInnen Ekel als Ärger fehlklassifizierten. Somit war Ekel bei PatientInnen mit HD die einzige Emotion mit quantitativem (herabgesetzte Intensität) als auch qualitativem (Fehlklassifikation als Ärger) Erkennungsdefizit. Hingegen fanden wir beim Emotionserleben oder habitueller emotionaler Reaktivität keine Unterschiede zwischen HD PatientInnen und Kontrollpersonen. PatientInnen gaben für neutrale Gesichter und Szenen eine höhere Intensität an Freude an als Kontrollpersonen, was auf eine Verzerrung in Richtung einer positiven Valenz bei nicht eindeutigen visuellen Reizen hinweist. Überdies zeigten Assoziationen zwischen der Funktionstüchtigkeit von HD PatientInnen im Alltag und Beeinträchtigungen beim Emotionserkennen den Stellenwert einer gesunden Emotionsverarbeitung für die Lebensqualität. Präsymptomatische Genträger zeigten intaktes quantitatives Emotionserkennen aber mehr Fehlklassifikationen bei Ärger und Ekel als Kontrollpersonen sowie einen Positivitätsbias. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass Unsicherheit bei der Emotionsklassifikation im Krankheitsverlauf früher auftritt als Veränderungen bei der Intensitätsbewertung emotionaler Gesichter. Unsere Ergebnisse zeigen auch, dass das Emotionserkennen bei HD PatientInnen im Verlauf eines Jahres nicht schlechter wird, was für einen langsamen Verlauf dieser Beeinträchtigung spricht. Die MRT-Daten ergaben einen ausgedehnten Volumsverlust bei HD PatientInnen. Defizite im Erkennen von Ekel, Traurigkeit und Überraschung korrelierten mit dem Verlust grauer Masse in Hirnregionen, welche bei HD PatientInnen betroffen waren. Überdies waren Defizite bei der Funktionalität im täglichen Leben mit einem Abbau der grauen Masse in den betroffenen Regionen verbunden. Assoziationen zwischen unseren Daten zur Emotionsbewertung und den MRT-Daten weisen auf eine Beteiligung sowohl emotionsspezifischer Hirnregionen hin als auch solcher, die mit dem Arbeitsgedächtnis verbunden sind.

Forschungsstätte(n)
  • Universität Graz - 100%

Research Output

  • 118 Zitationen
  • 4 Publikationen
Publikationen
  • 2015
    Titel Role of Disgust Proneness in Parkinson’s Disease: A Voxel-Based Morphometry Study
    DOI 10.1017/s135561771500017x
    Typ Journal Article
    Autor Ille R
    Journal Journal of the International Neuropsychological Society
    Seiten 314-317
    Link Publikation
  • 2015
    Titel Experience of negative emotions in Parkinson’s disease: An fMRI investigation
    DOI 10.1016/j.neulet.2015.10.046
    Typ Journal Article
    Autor Schienle A
    Journal Neuroscience Letters
    Seiten 142-146
    Link Publikation
  • 2011
    Titel Emotion recognition and experience in Huntington's disease: Is there a differential impairment?
    DOI 10.1016/j.psychres.2011.04.007
    Typ Journal Article
    Autor Ille R
    Journal Psychiatry Research
    Seiten 377-382
    Link Publikation
  • 2011
    Titel Emotion recognition and experience in Huntington disease: a voxel-based morphometry study
    DOI 10.1503/jpn.100143
    Typ Journal Article
    Autor Ille R
    Journal Journal of Psychiatry and Neuroscience
    Seiten 383-390
    Link Publikation

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