Muster, Dynamik und Auswirkungen der globalen NPP Aneignung

Das vorliegende Projekt analysiert gesellschaftlich-wirtschaftliche und natürliche Ursachen von zeitlicher Dynamik und räumlichen Muster der globalen Aneignung von Nettoprimärproduktion (HANPP) sowie deren ökologische Auswirkungen. HANPP ist ein räumlich expliziter Indikator des sozial-ökologischen Stoffwechsels, der abbildet, in welchem Ausmaß Landnutzung und Biomasseernte die Verfügbarkeit trophischer (Biomasse-) Energie in Ökosystemen verändert. Es handelt sich um ein Fortsetzungsprojekt zum Projekt P16692-G05 "Global HANPP 1700-2000", das räumlich explizite globale HANPP-Datensätze erarbeitet hat. Ziel ist es, Determinanten der räumlichen Muster sowie der zeitlichen Dynamik der globalen HANPP in den letzten 300 Jahre zu analysieren. Gleichzeitig soll die Bedeutung der HANPP für Muster und Prozesse in Ökosystemen, z.B. Biodiversität, N- und C-Flüsse, quantifiziert werden. Das Projekt beruht auf Methoden der Datenanalyse, der analytischen Statistik und auf Modellierungsverfahren. Die Ergebnisse werden im Kontext der Diskussion über Resilienz und Stabilität auf globaler, regionaler und nationaler Ebene diskutiert werden. Durch ein verbessertes Verständnis der Rolle der Menschheit in der Biosphäre will das Projekt einen Beitrag zur Nachhaltigkeitsforschung zur Landnutzungsforschung, Umweltgeschichte, Ökologischen Ökonomik, Industriellen Ökologie und zur Humanökologie leisten.

Die menschliche Aneignung von Nettoprimärproduktion (kurz HANPP für "human appropriation of net primary production") ist ein Maß für das Ausmaß der Veränderungen in Ökosystemen, die mit Land- und Forstwirtschaft, Siedlungstätigkeit usw. einhergehen. HANPP gibt an, welcher Teil der jährlichen Biomasseproduktion, die durch Pflanzenwachstum ohne Landnutzung entstehen würde, zu einem bestimmten Zeitpunkt im Ökosystem nach Landnutzung (z.B. Ernte) verbleibt. HANPP ist ein Indikator für Landnutzungsintensität bzw. für das Ausmaß der menschlichen Dominanz über natürliche ökologische Prozesse. Nettoprimärproduktion (NPP) ist die Menge an energiereichen organischen Substanzen (Biomasse), die Pflanzen durch Photosynthese - mit Hilfe von Sonnenenergie netto herstellen. Die NPP ist damit ein zentrales Maß für das Funktionieren von Ökosystemen: Sie liefert die Energie für alle Nahrungsnetze und stellt die Grundlage für die Diversität aller Tiere, Pilze und Mikroorganismen dar. Im Zuge der NPP wird CO 2 aus der Atmosphäre aufgenommen und - mehr oder weniger langfristig im Ökosystem gebunden. Die NPP ist somit auch die ökophysiologische Grundlage für die Aufnahme von Kohlenstoff durch Ökosysteme (`Kohlenstoffsenke`). Wie dieses Projekt gezeigt hat, verdoppelte sich die globale HANPP, und damit der Druck auf die Ökosysteme, von 1910 bis 2005 nahezu: sie stieg von 13% auf 25%. Die Zunahme war aber deutlich geringer als jene der Weltbevölkerung (+274%), des globalen BIP (+1655%) sowie der Biomasseernte (+169%). In der Vergangenheit konnte also eine `Entkopplung` zwischen der HANPP und ihren wesentlichen Treibern erreicht werden. Dafür maßgeblich war unter anderem der Umstieg von Biomasse als Energieträger auf Fossilenergie im Zuge der Industrialisierung, aber auch die Steigerung der NPP auf Ackerflächen durch landwirtschaftliche Intensivierung sowie Effizienzsteigerungen bei der Nutzung von Biomasse. Wäre der Anteil der Biomasse am globalen Primärenergieeinsatz seit 1910 konstant geblieben, so wäre die globale HANPP heute mit 41% um fast zwei Drittel höher als sie tatsächlich ist. Dies weist darauf hin, welch weitreichende Effekte eine Politik des Umstiegs von Fossilenergie auf Energie aus Biomasse haben kann. Auch die Agrarintensivierung war mit erheblichen ökologischen Kosten verbunden, etwa einer Steigerung des Fossilenergieeinsatzes (Traktoren, Düngemittel usw.), Stickstoffauswaschung, Bodendegradation usw. Des Weiteren wurde im Projekt der HANPP- Ansatz verwendet, modellbasiert zukünftige Wechselwirkungen zwischen Ernährung, landwirtschaftlicher Technologie, Landnutzung und Bioenergie zu analysieren. Diese Arbeiten flossen unter anderem ins Global Energy Assessment ein. Es wurde ein systemdynamisches Modell zur Simulation langfristiger (>100 Jahre) Veränderungen in der HANPP auf nationaler Ebene erarbeitet. Zudem wurden Methoden erarbeitet, die es erlauben, die mit dem Konsum von biomassebasierten Produkten verbundene HANPP abzubilden (embodied HANPP), die für die zur Analyse der Umweltwirkungen des Welthandels beitragen können.