Konversion letztwilliger Verfügungen im klassischen römischen Recht
Conversion of Testamentary Dispositions in Classical Roman Law
Wissenschaftsdisziplinen
Rechtswissenschaften (100%)
Keywords
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Conversio,
Heredis Institutio Ex Re Certa,
Reinterpretation,
Clausula Codicillaris,
Testamentary Disposition,
Senatus Consultum Neronianum
Wie Plutarch berichtet, hat Cato der Ältere lediglich drei Dinge in seinem Leben bereut; eines davon war, einen Tag lang ohne Testament gelebt zu haben. Diese Anekdote zeigt auch wenn sie etwas übertreiben mag die panische Angst der Römer vor einer testamentarisch nicht geregelten Erbfolge. Auch die enorme Masse an überlieferten Quellen zu Problemen des römischen Testamentsrecht belegt eindrucksvoll die besondere Bedeutung dieses Gegenstandes. Ein Römer bestimmte in seinem Testament vor allem einen Erben, der gewissermaßen in Fortführung seiner Person die Verantwortung für die familia samt der damit verbundenen sacra übernahm. Darüber hinaus war hier aber auch der geeignete Ort, Angehörige und Freunde für ihre Loyalität zu belohnen; dies hatte in der römischen Gesellschaft, die auf unentgeltlichen Freundschaftsdienste aufgebaut war, einen besonderen Stellenwert. Um die derart wichtigen letztwilligen Verfügungen zu schützen, wurde mit vielen außerordentlich komplizierten Regelungen Vorsorge getroffen. Das führte allerdings auch zu dem Problem, dass es entsprechend schwierig war, alle Voraussetzungen für ein gültiges Testament zu erfüllen. Infolge der Regel nemo pro parte testatus pro parte intestatus descedere potest war zudem die Anwendung von Intestaterbrecht neben einer teilweisen Berücksichtigung des Testaments nicht möglich. Die römischen Juristen versuchten daher, fehlerhafte Anordnungen zu retten, so es nur irgend möglich war. Das wird mit dem Schlagwort favor testamenti zum Ausdruck gebracht. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Frage nach der Möglichkeit einer Konversion letztwilliger Verfügungen im klassischen römischen Recht: In manchen Fällen war es möglich, trotz der Uwirksamkeit einer letztwilligen Verfügung dem Begünstigten die Durchsetzung zu ermöglichen, indem man sie kurzerhand dem Regime eines anderen Rechtsgeschäftes unterstellte. Ein Erbe musste beispielsweise stets auf eine Quote eingesetzt werden; nannte der Erblasser in der Erbeinsetzung stattdessen konkrete Gegenstände, so führte das formal gesehen zur Ungültigkeit des gesamtenTestaments samtaller Einzelzuwendungen. Dieses unbefriedigende Ergebnis wurde durch unterschiedliche Strategien vermieden, die als Konversion bezeichnet werden können. Vergleichbare Probleme traten auch bei Legaten auf, deren unterschiedliche Typen verschiedenen Voraussetzungen unterlagen. Mitunter war bei Verletzung dieser Vorschriften eine Konversion in einen anderen Vermächtnistyp möglich, doch war das nicht immer der Fall. Die Frage, von welchen Faktoren die Entscheidung über eine Konversion abhing, ist immer noch ein Forschungsdesideratum und genau diese Lücke soll mit dem Forschungsvorhaben geschlossen werden. Hierbei werden Praxisurkunden ebenso berücksichtigt wie auch literarische Quellen. Die wichtigste Grundlage sind freilich die juristischen Texte, welche uns in der justinianischen Kompilation überliefert sind.
60-70% aller Rechtsstreitigkeiten der Römer sollen das Erbrecht betroffen haben (Kelly). In der Praxis der Urkundeschreiber war es das Testament, welches die erste Spezialistengruppe ins Leben gerufen hat (Amelotti). In den Institutionen des Gaius behandeln 279 Fragmente das Erbrecht, während das Vertragsrecht in nur 93 Fragmenten besprochen wird (Jakab). So erstaunlich die zentrale Rolle des Testaments aus heutiger Sicht auch sein mag, so wenig erstaunt es angesichts dieser Datenlage, dass das römische Testamentsrecht Ausgangpunkt zahlreicher Rechtsentwicklungen war, welche infolge der jahrhundertelangen Tradition noch in den heutigen europäischen Privatrechten nachwirken. Eine dieser Entwicklungen betrifft das Phänomen der "Konversion" ("Umdeutung"), welches im Testamentsrecht seine Wurzeln hat. Im Projekt wurden "standardmäßige" römische Testamentsklauseln auf Fehler hin untersucht, welche bei ihrer Formulierung typsicherweise unterlaufen konnten bzw dokumentiert sind, und deren Rechtsfolgen: Zog ihre untaugliche Formulierung die Nichtigkeit des gesamten Testaments nach sich? Zog sie die Unwirksamkeit nur der betreffenden Klausel nach sich? Oder wurde sie überhaupt durch juristische Kunstgriffe "saniert", sodass daraus geklagt werden konnte, obwohl sie den rechtlichen Formalvorgaben nicht entsprachen? Was waren die Voraussetzungen dafür, dass man in der zuletzt genannten Weise verfuhr? Zwei Ansätze wurden dabei vereint: Zum einen wurden die wenigen "Originaltestamente", welche aus klassischer Zeit erhalten geblieben sind, auf ihre Struktur hin untersucht und Regelmäßigkeiten der Abfassung herausgearbeitet. Zum anderen wurde daraufhin die Untersuchung der in den Juristenschriften diskutierten Fragestellungen nach dieser Struktur gegliedert und in Beziehung zur Überlieferung aus der Praxis gesetzt. Dadurch wurden Fehlinterpretationen der bisherigen Lehre offenbar und Zusammenhänge sichtbar, welche bisher im Dunkeln lagen. Trotz der "Strenge", welche herrschte, wenn es darum ging, zu beurteilen, ob eine wirksame letztwillige Verfügung der einen oder anderen Art nach ius civile tatsächlich wirksam vorlag, ließ sich zudem ein mehr oder weniger weitgehender Pragmatismus beobachten, wenn es darum ging, dass zwar die strengen Erfordernisse nicht erfüllt waren und damit die Gültigkeit einer Verfügung in der angestrebten Weise zu verneinen war, aber dennoch eine Erreichbarkeit des angestrebten Zieles gewährleistet werden sollte, was sich nur auf juristisch anderem Wege bewerkstelligen ließ. Es zeigte sich, dass der den römischen Juristen nachgesagte Konservativismus ebenso zutreffend ist wie die ihnen attestierte Hinwendung zu praxistauglichen Lösungen: Das ius civile "aufzuheben" maßte man sich nicht an; zu groß war die Achtung vor dem Althergebrachten, dem Recht, nach welchem schon die "Väter" lebten, zu groß vielleicht auch der Stolz auf das kulturelle Erbe, zu welchem das Recht unstreitig zählte. Dennoch reagierte man auf die Bedürfnisse der Praxis, was im Erbrecht ebenso wie in anderen Rechtsgebieten in erster Linie dadurch geschah, dass die bekannten Rechtsinstitute auf andere Weise nutzbar gemacht bzw. neue geschaffen wurden, welche in das bestehende Gefüge eingepasst wurden, es ergänzten und damit indirekt auch veränderten.
- Universität Wien - 100%
Research Output
- 5 Publikationen
- 2 Disseminationen
- 1 Wissenschaftliche Auszeichnungen
- 2 Weitere Förderungen