Beobachten & Kartieren von Landschaftsdynamiken durch Bürger

Beobachten und Melden von Tier- und Pflanzenarten hat im Rahmen von Citizen Science Projekten eine lange Tradition (z.B. Vogelbeobachtungsprojekte). Aber Citizen Science Projekte spielen auch für das Kartieren und Monitoren von Landschaftsdynamiken eine wichtige Rolle. Zwar können heute mit Fernerkundungsmethoden viele geomorphologische Ereignisse (z.B. Rutschungen, Felsstürze) dokumentiert werden, doch für die Erfassung aktueller Veränderungen, die Bereitstellung von detaillierten Informationen und Referenzdaten sind die Wissenschaftler nach wie vor auf Daten angewiesen, die direkt im Gelände erhoben werden. Relevanz erfährt dies, da Folgen des Klimawandels das häufigere Auftreten von geomorphologischen Prozessen begünstigen und somit global größere und veränderte Dynamiken in der Landschaftsentwicklung zu erwarten sind. Das Projekt citizenMorph ist eng verknüpft mit dem FWF-Hauptprojekt MORPH, das unter Verwendung von Fernerkundungsdaten geomorphologische Phänomene in Island untersucht. In citizenMorph soll eine App entwickelt werden, die es Bürgern erlaubt Informationen über verschiedene geomorphologische Ereignisse (Daten zur Position, Kurzbeschreibung, Fotos) zu sammeln und bereitzustellen. Diese sollen die MORPH-Datenbasis ergänzen, neue Detailuntersuchungen erlauben und zur Validierung der Fernerkundungsergebnisse beitragen. Die Erhebung und Meldung solcher Daten erfolgt heute in der Regel durch den Einsatz mobiler Web Mapping Applikation. Doch wie sind mobile Web Mapping Applikation zu gestalten, die (1) auf Anforderungen, Wünsche und Kenntnisstand (z.B. Geomorphologie, Landschaftsdynamik) und Kompetenzen (z.B. digitale Kompetenzen) der Nutzer umfassend eingehen, (2) dem Nutzer eine optimale Nutzerfahrung ermöglichen, und (3) zugleich die Bereitstellung umfangreicher, qualitativ hochwertiger Daten unterstützen? Eine zentraler Aspekt ist, den Nutzern neben interaktiven Karten alle notwendigen Materialen (für eine erfolgreiche Teilhabe an dem Projekt) sowie Social Networking Möglichkeiten (Austausch untereinander, mit dem Projektteam) zur Verfügung zu stellen und die Nutzer entsprechend zu motivieren Daten beizutragen. Als Erweiterung des Projektes MORPH verfolgt das citizenMorph das Ziel eine solche prototypische, mobile Web Mapping App zusammen mit Bürgerwissenschaftlern zu entwickeln (citizenMorph App). Um dies umzusetzen, arbeiten Wissenschaftler eng mit SchülerInnen und Senioren zusammen. Beide Gruppen gelten als besonders kritisch und anspruchsvoll bei der Nutzung mobiler Apps. In Anlehnung an das Konzept des Participatory Design arbeiten SchülerInnen und Senioren gleichberechtigt im Projektteam mit. Damit sind sie in alle Schritten der Applikationsentwicklung involviert und bauen so ihre digitalen Kompetenzen aus, gewinnen Einblicke in die Methoden und Abläufe bei der Software-/ Webentwicklung und setzten sich mit Fragen der Geomorphologie und Landschaftsdynamik auseinander.

Bürgerwissenschaft, die darauf abzielt die Bürger, ihr Engagement und ihr Wissen in die wissenschaftliche Forschung zu integrieren, ist ein wirksames Mittel um zusätzliche Forschungsergebnisse und Wissen zu generieren. Bürgerwissenschaften-Projekte spielen auch für das Kartieren und Monitoren von Landformen sowie für die Beobachtung von Landschaftsdynamiken eine wichtige Rolle. Während die Fernerkundung neue Kartierungs- und Beobachtungsmöglichkeiten bei hohen räumlichen und zeitlichen Auflösungen eröffnet hat, besteht immer noch ein wachsender Bedarf an der Erfassung (räumlicher) Daten direkt vor Ort (Berichterstattung über tatsächliche Ereignisse, Landformmerkmale und Landschaftsveränderungen, Bereitstellung von Referenzen) Daten und Fotos). Dies wird immer relevanter, da die Auswirkungen des Klimawandels wahrscheinlich zu größeren morphologischen Veränderungen führen werden, die sich auf die Landschaft auswirken. Im Projekt citizenMorph (Beobachten und Kartieren von Landschaftsdynamiken durch Bürger; http://citizenmorph.sbg.ac.at) wurde eine webbasierte interaktive Pilotanwendung entwickelt, die es Bürgern erlaubt Informationen über Landformen und Landschaftsdynamiken (Verortung, Kurzbeschreibung, Fotos) zu sammeln und bereitzustellen. Dies sind beispielsweise Massenbewegungen (z. B. Steinschlag, Erdrutsch), glaziale Formen (z. B. Moräne, Drumlin), vulkanische Formen (z. B. Lavastrom, Lahar) oder Landformen an Küsten (z. B. Klippe, Küstenerosion). Um ein System zu entwerfen und zu implementieren, das den Anforderungen von Experten und Bürgern entspricht, das sicherstellt, dass die Bürger von der Teilnahme an CitizenMorph profitieren, und das umfangreiche und qualitativ hochwertige Daten bereitstellt, nahmen Bürgervertreter (hauptsächlich Schüler, Studenten und Senioren) aktiv und direkt am Entwicklungsprozess teil. Entsprechend dem Konzept des partizipativen Designs waren Bürgervertreter in alle Schritte des Entwicklungsprozesses involviert: Spezifikation der Anforderungen, Design, Implementierung und Test des Systems. Die Entwicklung einer Pilotanwendung erfolgte mit Survey123 für ArcGIS, einem Werkzeug für mobile Endgeräte zum Sammeln von Daten vor Ort (u. a. Art und Ort der Landform, Übersichtsbild und Bildserien der Landform). Zusätzlich informiert unterstützt eine Projektwebsite die Teilnehmer. Durch die Umfrage (https://arcg.is/15WPKv0) und die Website werden den Teilnehmern verschiedene Arten von Informationen (z. B. Projektinformationen,Richtlinien für die Datenerfassung und-bereitstellung, Datenschutzinformationen) zur Verfügung gestellt. Die endgültige citizenMorph-Anwendung wurde auf mehreren Veranstaltungen mit Bürgervertretern in Österreich, Deutschland und Island getestet und diskutiert. Die Rückmeldungen aus den Tests wurden mithilfe von Techniken wie Beobachtung, Fokusgruppen und Interviews / Fragebögen gesammelt. Dies ermöglichte das Gesamtsystem zu bewerten und zu verbessern. Die gesammelten Daten, insbesondere die Bildserien, werden zur 3D-Rekonstruktion der Oberfläche verwendet. Darüber hinaus tragen die gesammelten Daten dazu bei, fernerkundungsbasierte Kartierungsergebnisse anzureichern und zu validieren und deren Detail- und Informationsgehalt zu erhöhen. Eine umfassende Datenbank, in der Felddaten und Fernerkundungsdaten zusammengeführt werden, ist für weiterführende Analysen und die Erweiterung unseres Wissens über Landschaftsdynamiken und die geomorphologische Landformen von Bedeutung.