Junge Forschende benötigen wissenschaftliche Freiheit und Karrierechancen

Unter dem Motto âAttracting Excellence: How Can We Succeed in the Competition for Scientific Talent?â leitete Maria Leptin, PrĂ€sidentin des EuropĂ€ischen Forschungsrats, mit einer Keynote die Diskussion ein. âWir mĂŒssen jungen Talenten endlich echte UnabhĂ€ngigkeit gebenâ, brachte sie als zentrale Botschaft mit nach Wien. Zu spĂ€te Tenure-Entscheidungen, Hierarchien und kleinteilige Förderungen verhindern, dass Forschende langfristige Forschungsideen anpacken. Europa habe die Ressourcen, âdoch wir brauchen den politischen Mut, Barrieren abzubauenâ. Sie betonte, dass junge Forschende vor allem Freiheit, UnabhĂ€ngigkeit und ein inspirierendes Umfeld brauchen. AuĂerdem mĂŒsse Europa seine strukturellen Nachteile im Vergleich zu den USA und China abbauen: Fragmentierte Fördersysteme, unterschiedliche Pensions- und Anerkennungsregeln sowie spĂ€te Berufungsverfahren erschweren es, internationale Talente anzuziehen.
Fehlende Perspektiven vor allem fĂŒr den Nachwuchs
Christof Gattringer, PrĂ€sident des Wissenschaftsfonds FWF, lenkte als Moderator den Blick auf Ăsterreich und brachte die Ergebnisse der aktuellen FWF-Umfrage unter Ăsterreichs Forschenden mit: 40 Prozent der Befragten hatten zuvor im Ausland gearbeitet, 43 Prozent der Early-Career-Forschenden kamen von einer Stelle im Ausland â ein Hinweis, dass Ăsterreich international attraktiv ist. Gleichzeitig brachte die Umfrage auch Defizite hervor: Zwei Drittel der Postdocs halten ihre Karrierechancen fĂŒr gering.
Manuela Baccarini, Vizerektorin der UniversitĂ€t Wien betonte die Verantwortung der UniversitĂ€ten, Postdocs aktiv bei der Karriereplanung zu unterstĂŒtzen und auch transparent zu sein. âWir können jungen Forschenden nicht alles geben, was sie wollen, aber wir können ihnen geben, was sie brauchenâ, zitierte sie Liz Elvidge vom Imperial College London. Dazu zĂ€hlen Transparenz und individuelle UnterstĂŒtzung. âPostdoc ist keine Karriere, sondern eine Phase zum Aufbauen einer Karriere â innerhalb oder auĂerhalb der Wissenschaftâ, so Manuela Baccarini. Transparenz und Ehrlichkeit seien entscheidend: klare Zeithorizonte, individuelle Coachings, internationale Vernetzung und ein Kulturwandel hin zu mehr WertschĂ€tzung unterschiedlicher Karrierewege. Nur so ist es möglich, selbstbewusste Entscheidungen zu treffen und Chancen realistisch einschĂ€tzen zu können.
Georg Winter, âLife Science Direktorâ von AITHYRA, dem an der Ăsterreichischen Akademie der Wissenschaften (ĂAW) eingerichteten neuen Forschungsinstitut fĂŒr KĂŒnstliche Intelligenz in der Biomedizin, nutzte die Gelegenheit, um fĂŒr mehr DurchlĂ€ssigkeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu werben. Viele Postdocs wĂŒrden sich zu sehr auf den klassischen Professor:innenweg fixieren, obwohl es spannende Alternativen in Biotech, Start-ups und Industrie gebe. âWir mĂŒssen zeigen, dass auch auĂerhalb der UniversitĂ€t exzellente Forschung möglich ist â und attraktivâ, betonte er. AITHYRA wolle selbst mit gut finanzierten, unabhĂ€ngigen Gruppenleitungsstellen und klaren Regeln fĂŒr Spin-offs ein Vorbild sein. Eine Kultur, die Experimente und sogar Scheitern erlaubt, sei entscheidend, um Talente zu halten und Innovation voranzutreiben. Gleichzeitig ist es auch wichtig, das Forschen in Wirtschaft und Industrie nicht zu verklĂ€ren; ein StĂŒck UnabhĂ€ngigkeit geht im Vergleich zur akademischen Forschung verloren.
Juan Pablo Aguilera, Mathematiker an der Technischen UniversitĂ€t Wien und FWF-START-PreistrĂ€ger, ging auf seine Motivation ein, warum er sich fĂŒr Ăsterreich als Forschungsland entschieden hat. Hierzulande sei die wissenschaftliche Freiheit groĂ, das Umfeld und die Peers attraktiv, manche Struktur jedoch verbesserungsfĂ€hig. Entscheidend aus seiner Sicht sind unkomplizierte Visa- und Einwanderungsverfahren, englischsprachige UnterstĂŒtzung beim Ankommen, steuerliche Anreize sowie transparente Bewerbungsprozesse und klar kommunizierte Karrierewege. Nur so lasse sich sicherstellen, dass die besten jungen Forscher:innen aus dem Ausland nach Ăsterreich kommen â und bleiben.
Die Diskussion mĂŒndete in einen klaren Appell: UniversitĂ€ten, Förderagenturen und Forschungspolitik sollen gemeinsam planbare Karrierewege schaffen, internationale MobilitĂ€t erleichtern und die besten Köpfe unabhĂ€ngig von Herkunft willkommen heiĂen. âEuropa kann Exzellenzâ, so die ERC-PrĂ€sidentin Maria Leptin. âJetzt brauchen wir den Mut, diesen Weg auf breiter Ebene zu gehen. Wir können es uns nicht leisten, Talenten keine Chancen zu geben.â
Hören Sie die Diskussion âAttracting Excellence: How Can We Succeed in the Competition for Scientific Talent?â vom 11. September 2025 bei den Technology Talks Austria nach:
Am Podium:
- Maria Leptin, European Research Council
- Manuela Baccarini, UniversitÀt Wien
- Georg Winter, AITHYRA, Ăsterreichische Akademie der Wissenschaften
- Juan Pablo Aguilera, FWF-START-Preis, TU Wien
- Moderation: Christof Gattringer, Ăsterreichischer Wissenschaftsfonds FWF