Reflexionsarmer Raum am Institut fĂŒr musikalische Akustik der UniversitĂ€t fĂŒr Musik und darstellende Kunst Wien
Im Programm Wissenschaftskommunikation bewilligt der FWF fĂŒnf innovative Projekte im Umfang von rund 500.000 Euro. © Ulrich Zinell

Wie vielfĂ€ltig Wissenschaft sein kann, zeigen die fĂŒnf neuen Wissenschaftskommunikationsprojekte, die jeweils auf ganz eigene Weise Forschung sichtbar, hörbar und erlebbar machen. Ob es um die verborgenen Bewegungen von Sandkörnern, den Klangvergleich der berĂŒhmtesten Neujahrskonzertaufnahmen, die chemischen Prozesse in pflanzlichen Ölen, gesellschaftliche Perspektiven auf Sucht oder die reiche Dialektlandschaft Österreichs geht – alle Projekte eint das Ziel, komplexe Erkenntnisse zugĂ€nglich zu machen und Neugier zu wecken.

Mit kreativen Formaten, interaktiven Exponaten und innovativer Wissenschaftskommunikation eröffnen sie neue Wege, um Forschung unmittelbar erfahrbar zu machen und Menschen jeden Alters einzubeziehen. Die Projekte starten im JÀnner 2026 und sind auf maximal zwei Jahre ausgelegt.

Das Programm Wissenschaftskommunikation fĂŒr den Dialog mit der Öffentlichkeit

Der Wissenschaftsfonds FWF unterstĂŒtzt mit dem Programm Forschende bei neuen und innovativen Projekten im Bereich der Wissenschaftskommunikation. Das Förderangebot richtet sich an Wissenschaftler:innen an österreichischen ForschungsstĂ€tten, die ein FWF-gefördertes Projekt leiten bzw. geleitet haben. Eine zentrale Zielsetzung ist die Förderung hervorragender wissenschaftskommunikativer Maßnahmen, um wissenschaftliche Inhalte aus FWF-geförderten Projekten der Gesellschaft zu vermitteln.

Die Wissenschaftskommunikationsprojekte im Einzelnen

Granulare Perspektiven

Das Projekt „Granulare Perspektiven“ von Gertraud Medicus bringt einen KĂŒnstler und Wissenschaftler:innen zusammen und macht diese verborgenen Kornbewegungen sichtbar und verstĂ€ndlich. Im Mittelpunkt steht eine interaktive Glasskulptur, die mechanische VorgĂ€nge in granularen Materialien – wie Sand – anschaulich zeigt.

Die Wiener Neujahrskonzerte: “Same procedure as every year?”

Die Neujahrskonzerte der Wiener Philharmoniker sind ein spannender Gegenstand fĂŒr die Musikforschung. David M. Weigls Projekt „Die Wiener Neujahrskonzerte: ‘Same procedure as every year?’“ hat Software-Werkzeuge entwickelt, um große Sammlungen mit Musikaufnahmen vieler verschiedener AuffĂŒhrungen derselben Werke zu erforschen.

Verborgene SchÀtze der ErnÀhrung

Das Forschungsprojekt „Verborgene SchĂ€tze der ErnĂ€hrung“ von Marc Pignitter zeigt, welche Mechanismen hinter Oxidation stehen und wie wissenschaftliche Erkenntnisse zur Stabilisierung von Ölen spĂŒrbare Vorteile bringen. In multisensorischen Veranstaltungen wird der Unterschied zwischen frischen, oxidierten und AOX-reichen Ölen direkt erlebbar.

Dreamscapes: Landschaften der Sucht

Suzana Jovicic’ Forschungsprojekt „Dreamscapes“ erforscht unter anderem, was uns Sucht ĂŒber die gesellschaftlichen UmstĂ€nde, in denen sie entsteht, sagt. Auch relativ neue Formen wie Medien- oder Internetsucht werden dabei berĂŒcksichtigt. Diverse interaktive Formate sollen zur tiefgrĂŒndigen Reflexion ĂŒber Sucht im Zeitalter stĂ€ndiger Vernetzung anregen.

Dialekte kommunizieren

Im Projekt „Dialekte kommunizieren“ macht Projektleiter Stephan Elspaß Ergebnisse eines langjĂ€hrigen Forschungsprojekts zu den deutschen Dialekten in Österreich erfahrbar und hörbar. Auf der geplanten digitalen Plattform wird es ĂŒber einen „sprechenden Dialektatlas“ möglich sein, die österreichische Dialektlandschaft interaktiv zu erkunden.

Granulare Perspektiven

Granulare Perspektiven
PortrÀt Gertraud Medicus
Gertraud Medicus, Bauingenieurin und Projektleiterin von „Granulare Perspektiven“ © privat

Welche Bewegungen machen Sandkörner im Inneren eines Hanges, wenn dieser versagt? Das Projekt „Granulare Perspektiven“ bringt einen KĂŒnstler und Wissenschaftler:innen zusammen und macht diese verborgenen Kornbewegungen sichtbar und verstĂ€ndlich. „Unser Projekt verbindet Kunst und Wissenschaft, um die Öffentlichkeit – insbesondere Kinder und Jugendliche – fĂŒr die faszinierende Welt granularer Materialien wie Sand zu begeistern“, erlĂ€utert Medicus. Im Mittelpunkt steht eine interaktive Glasskulptur, die mechanische VorgĂ€nge in granularen Materialien – wie Sand – anschaulich zeigt. Medicus weiter: „Diese Glasskulptur macht die unsichtbaren KrĂ€fte und Wechselwirkungen von Sandkörnern sichtbar. Damit wollen wir wissenschaftliche Konzepte spielerisch vermitteln.“ Dieses Wissenschaftskommunikationsprojekt soll damit das Bewusstsein fĂŒr die begrenzte Ressource Sand und deren nachhaltige Nutzung steigern. Workshops und Ausstellungen richten sich an Kinder insbesondere im Alter von sieben bis zehn Jahren und Jugendliche von 16 bis 19 Jahren und sollen besonders das Interesse von MĂ€dchen und jungen Frauen an Technik und Ingenieurwissenschaften fördern. Das Projekt weckt Neugier, vermittelt die Faszination fĂŒr das Material Sand und eröffnet neue Wege der Wissenschaftsvermittlung in der Geomechanik. Die interaktive Skulptur bildet dabei das Zentrum und wird durch didaktische Formate ergĂ€nzt, die Neugier und eigenes Explorieren fördern.

Projektleitung

Gertraud Medicus, UniversitÀt Innsbruck

ForschungsstÀtte

UniversitÀt Innsbruck

Disziplinen

Kunstwissenschaften, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Umweltingenieurwesen, Angewandte Geowissenschaften

Fördervolumen

99.974 €

Die Wiener Neujahrskonzerte: “Same procedure as every year?”

Die Wiener Neujahrskonzerte: “Same procedure as every year?”
PortrÀt David M. Weigl
Projektleiter David M. Weigl im reflexionsarmen Raum am Institut fĂŒr musikalische Akustik der UniversitĂ€t fĂŒr Musik und darstellende Kunst Wien © IWK/Alexander Mayer

Die Live-Übertragung des Neujahrskonzerts der Wiener Philharmoniker begeistert Jahr fĂŒr Jahr ein Millionenpublikum in fast 100 LĂ€ndern. Die besondere Mischung aus Tradition und Wandel macht diese Konzertreihe zu einem spannenden Gegenstand fĂŒr die Musikforschung. Ihr Programm umfasst beliebte Klassiker sowie eine in jedem Jahr frisch zusammengestellte Auswahl feinster Tanzmusik. Diese Kombination aus Wiederholung und VerĂ€nderung schafft einen wertvollen Datenschatz, um AuffĂŒhrungstrends, stilistische Entwicklungen und den unverwechselbaren musikalischen „Fingerabdruck“ des Orchesters ĂŒber die Jahrzehnte zu analysieren. „Wir haben Software-Werkzeuge entwickelt, die uns helfen, große Sammlungen mit Musikaufnahmen vieler verschiedener AuffĂŒhrungen derselben Werke zu erforschen“, berichtet Projektleiter David M. Weigl. Mit automatischen Algorithmen werden die Aufnahmen notenprĂ€zise miteinander synchronisiert. Weigl: „Das bedeutet: Wir beginnen ein StĂŒck in einer Aufnahme anzuhören und können nahtlos, ohne Unterbrechung des musikalischen Flusses, in eine andere Aufnahme wechseln und somit einen unmittelbaren Eindruck von Gemeinsamkeiten und Unterschieden in den Aufnahmen erhalten.“ Das Wissenschaftskommunikationsprojekt entwickelt ein wiederverwendbares AusstellungsstĂŒck fĂŒr die öffentliche PrĂ€sentation, das hauptsĂ€chlich im Museum House of Strauss im Wiener Casino Zögernitz gezeigt wird. Es erweitert die im Basisprojekt entwickelte digitale Musikologie-Software und ermöglicht Besucher:innen, die umfangreiche Sammlung von Aufnahmen der Neujahrskonzerte anhand der Partitur interaktiv zu erkunden.

Projektleitung

David M. Weigl, UniversitĂ€t fĂŒr Musik und darstellende Kunst Wien

ForschungsstÀtten

UniversitĂ€t fĂŒr Musik und darstellende Kunst Wien, Wiener Institut fĂŒr Strauss-Forschung

Disziplinen

Andere Geisteswissenschaften, Informatik, Kunstwissenschaften, Medien- und Kommunikationswissenschaften

Fördervolumen

99.676 €

Verborgene SchÀtze der ErnÀhrung

Verborgene SchÀtze der ErnÀhrung
PortrÀt Marc Pignitter
„Verborgene SchĂ€tze der ErnĂ€hrung“-Projektleiter Marc Pignitter © Lena Grabner

Wenn pflanzliches Öl zu lange offen steht, riecht es strenger, schmeckt bitterer – und verliert wertvolle FettsĂ€uren. Verantwortlich ist Oxidation, ein chemischer Prozess, der unbemerkt im Hintergrund ablĂ€uft. Pflanzliche Öle gehören zu den wichtigsten Quellen ungesĂ€ttigter FettsĂ€uren und natĂŒrlicher Antioxidantien (AOX), die Oxidation verlangsamen. Das Forschungsprojekt „Verborgene SchĂ€tze der ErnĂ€hrung“ zeigt, welche Mechanismen dahinterstehen und wie wissenschaftliche Erkenntnisse zur Stabilisierung von Ölen spĂŒrbare Vorteile bringen – fĂŒr Geschmack, Haltbarkeit und Wirkung. Ausgangspunkt ist ein FWF-Projekt, in dessen Rahmen Methoden zur Erhöhung des natĂŒrlichen Antioxidantiengehalts in Ölen entwickelt wurden. Dadurch bleiben empfindliche FettsĂ€uren erhalten, die Öle schmecken aromatischer, halten lĂ€nger und sind hitzestabiler. „Wir möchten vermitteln, was im Öl chemisch passiert – und warum diese Prozesse fĂŒr Gesundheit, Nachhaltigkeit und GeschmacksqualitĂ€t entscheidend sind. HierfĂŒr ĂŒbersetzen wir Spitzenforschung zu Antioxidantien und ungesĂ€ttigten FettsĂ€uren in erlebbare Erfahrungen: multisensorisch, zielgruppenspezifisch, wissenschaftlich exzellent und zugleich alltagsnah“, sagt Projektleiter Marc Pignitter. Damit dieses Wissen jene erreicht, die davon am meisten profitieren, richtet sich das Projekt an fĂŒnf Gruppen: junge Eltern, schwangere Frauen, Senior:innen, Sportler:innen und pflegende Angehörige. Jede Veranstaltung bietet verstĂ€ndliche Inputs, animierte ErklĂ€rvideos und eine Verkostung, bei der der Unterschied zwischen frischen, oxidierten und AOX-reichen Ölen direkt erlebbar wird. Dieses multisensorische Format folgt dem Prinzip des Infosensing: Lernen ĂŒber mehrere Sinne hinweg, um komplexe Prozesse erfahrbar zu machen. „Verborgene SchĂ€tze der ErnĂ€hrung“ verbindet damit moderne Lipidforschung mit Alltagspraxis.

Projektleitung

Marc Pignitter, UniversitÀt Wien

ForschungsstÀtte

UniversitÀt Wien

Disziplinen

Chemie, Gesundheitswissenschaften, Medien- und Kommunikationswissenschaften

Fördervolumen

98.713 €

Dreamscapes: Landschaften der Sucht

Dreamscapes: Landschaften der Sucht
PortrÀt Suzana Jovicic
Suzana Jovicic, Projektleiterin von „Dreamscapes“ © Thomas Sobottka

Sucht wird hĂ€ufig aus medizinischer oder psychologischer Sicht als Erkrankung betrachtet. Das Forschungsprojekt „Dreamscapes“ stellt darĂŒber hinaus die Frage: Was sagt uns Sucht ĂŒber die gesellschaftlichen UmstĂ€nde, in denen sie entsteht? Wo fĂ€ngt Sucht an und wo hört sie auf – insbesondere bei relativ neuen Formen wie Medien- oder Internetsucht? Das Projekt zeigt, dass AbhĂ€ngigkeiten von Alkohol, Opioiden bis hin zu digitalen Medien nicht nur individuelle BrĂŒche, sondern auch gesellschaftliche Entwicklungen und Problematiken widerspiegeln. Aufbauend auf dem FWF-ESPRIT-Projekt „Verhandlungen der Smartphone-Sucht“ lĂ€dt „Dreamscapes“ dazu ein, Sucht jenseits von Diagnosen, Kategorien und Verboten im soziokulturellen, politischen und historischen Kontext zu betrachten und einfache KausalitĂ€ten zu hinterfragen. „Im Zentrum unserer Forschung steht daher die Frage, was AbhĂ€ngigkeiten ĂŒber unsere zunehmend aufmerksamkeitsgetriebenen Lebenswelten aussagen“, so Projektleiterin Suzana Jovicic. Auf Grundlage ethnografischer Forschung in einer österreichischen Suchtklinik beleuchtet das Projekt, wie Menschen mit Suchterfahrungen, RĂŒckfĂ€llen, Stigmatisierung und sozialen Belastungen umgehen. Durch Theater, Storytelling und interaktive Formate ĂŒbersetzt das Projekt wissenschaftliche Einsichten in unmittelbar erfahrbare Situationen. Ein gemeinschaftlich entwickeltes TheaterstĂŒck, eine Podcast-Reihe, digitale Installationen, Schulworkshops und ein öffentlicher Flashmob schaffen neue RĂ€ume fĂŒr Austausch und Reflexion. Ziel ist nicht, endgĂŒltige Antworten oder Empfehlungen zu geben, sondern die aus der Forschung hervorgegangenen Fragen an die Öffentlichkeit zurĂŒckzuspielen und zur tiefgrĂŒndigen Reflexion ĂŒber Sucht im Zeitalter stĂ€ndiger Vernetzung anzuregen.

Projektleitung

Suzana Jovicic, UniversitÀt Wien

ForschungsstÀtte

UniversitÀt Wien

Disziplinen

Erziehungswissenschaften, Soziologie

Fördervolumen

99.662 €

Dialekte kommunizieren

Dialekte kommunizieren
PortrĂ€t Stephan Elspaß
„Dialekte kommunizieren“-Projektleiter Stephan Elspaß © UniversitĂ€t Salzburg

Ziel ist es, wesentliche Resultate dieses Projekts ĂŒber eine digitale Plattform zugĂ€nglich zu machen. Indem Einblicke in die Vielfalt wie auch die KomplexitĂ€t von Dialekten ermöglicht werden, soll ein Bewusstsein fĂŒr ihren kulturellen Wert geschaffen und nicht zuletzt auch Vorurteile ihnen gegenĂŒber abgebaut werden. Dialekte sind die Ă€ltesten der heute gesprochenen Sprachformen. Sie sind ein wahrer Sprachschatz – nicht nur fĂŒr die Sprachwissenschaft, der sie Einblicke in die gegenwĂ€rtige und historische Variation sowie den Wandel der Sprache gewĂ€hren, sondern auch fĂŒr Lai:innen, denen sich etwa ĂŒber die dialektale Lexik Fenster in vergangene Lebenswelten eröffnen. FĂŒr viele Sprecher:innen haben Dialekte eine besondere emotionale Bedeutung und sind elementarer Bestandteil ihrer sprachlichen IdentitĂ€t. „Es ist uns daher wichtig, der Sprechergemeinschaft etwas davon zurĂŒckzugeben, was wir von ihr fĂŒr unsere Forschungszwecke zur VerfĂŒgung gestellt bekommen haben“, so Elspaß. Zu diesem Zweck greift das Projekt auf umfangreiche Audioaufnahmen von rund 300 Dialektsprecher:innen aus mehr als 100 lĂ€ndlichen Orten in ganz Österreich zurĂŒck. KernstĂŒck der geplanten digitalen Plattform wird ein „sprechender Dialektatlas“ sein, ĂŒber den es möglich sein wird, die österreichische Dialektlandschaft interaktiv zu erkunden und Hörproben zu lauschen. Über dynamische Karten und Informationstexte wird die Plattform Erkenntnisse zur sprachlichen Variation in Österreich vermitteln.

Projektleitung

Stephan Elspaß, UniversitĂ€t Salzburg

ForschungsstÀtten

UniversitÀt Salzburg, UniversitÀt Innsbruck

Disziplinen

Andere Geisteswissenschaften, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Sprach- und Literaturwissenschaften

Fördervolumen

99.998 €

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