Kompetenz- und Wissenschaftsorientierung in Geschichtsschulbüchern

Der Paradigmenwechsel innerhalb der Geschichtsdidaktik von der Inhaltsorientierung hin zu domänenspezifischer Kompetenzorientierung wurde im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts vollzogen. Die Herausforderungfür die in diesem Zusammenhangkaumbeforschten Geschichtsschulbücher ist, dass sie potenziell historische Kompetenzen anbahnen und dadurch zur Entwicklung eines reflektierten Geschichtsbewusstseins beitragen sollen. Dieses Projekt verfolgt in diesem Zusammenhang drei zentrale Ziele. Erstens (1) soll mit Hilfe einer qualitativ/quantitativen methodischen Triangulation ermittelt werden, wie das Geschichtsschulbuch von Schüler/innen und Lehrer/innen der Sekundarstufe I in Hauptschulen/Neuen Mittelschulen und in Gymnasien in Österreich verwendet wird und welche Rolle die von Lehrplänen und von der Fachdidaktik geforderte Kompetenzorientierung im Zusammenhang mit der Schulbuchnutzung spielt. Durch Beobachtung der konkreten Verwendung von Schulbüchern im Unterricht und anschließenden Tiefeninterviews mit Lehrerenden über die Motive ihre Zugangsweise und durch eine daran anschließende quantitative Schüler/innen- und Lehrer/innenbefragung zur Schulbuchnutzung, soll die seit Jahrzehnten erhobene Forderung der Geschichtsdidaktik, die konkrete Verwendung von Geschichtsschulbüchern in der Unterrichtspraxis zu untersuchen, für Österreich eingelöst werden. Zweitens (2) wird durch Analysen ausgewählter historischer Abschnitte aller aktuell zugelassenen österreichischen Geschichtsschulbücher der Sekundarstufe I ermittelt werden, wie fortgeschritten sich der Paradigmenwechsel hin zur fachspezifischen Kompetenzorientierung in Geschichtsschulbüchern darstellt und ob Schulbücher Materialen und Zugänge bereit stellen, welche Schüler/innen potenziell dabei unterstützen, historisch denken zu lernen. Dabei werden die einzelnen Elemente, mit denen ein Schulbuch konstruiert ist (Autorentext, Bilder, Quellen, Arbeitsaufträge etc.) berücksichtigt. Es wird danach gefragt, inwiefern Schulbücher den durch aktuelle Diskurse der Geschichtsdidaktik an sie gerichteten Anforderungen hinsichtlich einer fachspezifischen Kompetenzorientierung entsprechen. Drittens (3) soll durch einen Vergleich der Ausprägung von fachspezifischer Kompetenzorientierung und Wissenschaftsorientierung im Sinne der Triftigkeiten Jörn Rüsens in Schulbüchern analysiert werden, ob ein höherer Grad an Kompetenzorientierung in Schulbüchern mit einem höheren Grad an empirischer, narrativer und normativer Triftigkeit korreliert. Dabei wird die Hypothese überprüft werden, ob sich durch die in kompetenzorientierten Zugängen geforderte Offenlegung der Konstruktion der historischen Narrationen die wissenschaftliche Qualität von Schulbüchern erhöht.

Competence and Academic Orientation in History Textbooks (CAOHT)/ FWF-P 27859-G22 Das CAOHT-Projekt hatte zum Ziel österreichische Geschichtsschulbücher und ihre Verwendung im Geschichtsunterricht genauer in den Blick zu nehmen. Dabei wurden auf der einen Seite die Bücher selbst beforscht, um die Frage zu beantworten inwiefern diese die normativen Anforderungen des Lehrplans umsetzen. Auf der anderen Seite wurde untersucht, wie Geschichtsschulbücher von Lehrer_innen und Schüler_innen im Unterricht tatsächlich eingesetzt werden. Das Projekt lieferte damit wichtige Einsichten und Erkenntnisse zur Weiterentwicklung von Schulbüchern im Speziellen sowie zur Verbesserung schulischer Praxis im Allgemeinen. Als methodischer Forschungszugang wurde ein Mixed-Methods-Design gewählt. Dabei werden sowohl qualitative, als auch quantitative Forschungsmethoden zu Anwendung gebracht, um ein umfassenderes Bild zu erhalten. Das Vorgehen beinhaltete neben der teilnehmenden Beobachtung von 50 Unterrichtsstunden, auch das Führen von Experteninterviews mit den Lehrpersonen über ihren Zugang zum Geschichtsunterricht. Auf der Basis dieser qualitativen Einsichten wurde dann ein Fragebogen für Lehrer_innen und Schüler_innen entwickelt (quantitative Erhebung). Der Fragebogen, der von 277 Lehrer_innen und 1.086 Schüler_innen aus den Bundesländern Wien, Salzburg und der Steiermark bearbeitet wurde, orientierte sich damit direkt an der schulpraktischen Lebenswelt von österreichischen Lehrer_innen und Schüler_innen. Darüber hinaus wurden ausgewählte Ausschnitte aller österreichischen Geschichtsschulbücher anhand von qualitativen Inhaltsanalysen hinsichtlich der geforderten Umsetzung der fachspezifischen Kompetenzorientierung befragt. Dazu wurden neue Erhebungsinstrumente entwickelt, die vor allem die Arbeitsaufgaben in den Schulbüchern in den Blick nahmen, als wichtige Instrumente zur Initiierung und Steuerung fachlicher Lernprozesse. Die Ergebnisse des Projektes zeigen ein heterogenes Bild. Man kann davon ausgehen, dass etwa 50% der befragten Lehrer_innen die Vermittlung von kritischem historischem Denken im Geschichtsunterricht befürworten. Es zeigte sich jedoch auch, dass einige Lehrpersonen die angestrebten Ziele des Lehrplanes einfach ignorieren. Dabei steht häufig ein zu lernendes Wissen im Mittelpunkt (häufig Schulbuchinhalte), ohne jedoch, dass dieses weiterführend für selbstständiges fachliches Denken "fruchtbar" gemacht wird. Es ist auffällig, dass die Schüler_innen zu ähnlichen Einschätzungen zum Geschichtsunterricht kommen wie die befragten Lehrpersonen. Die Analysen der Schulbücher zeigen hierbei, dass auch die österreichischen Schulbücher bislang wenig Unterstützung zur Umsetzung der angestrebten und geforderten Wissenschafts- und Kompetenzorientierung im Geschichtsunterricht bieten. Vielfach werden nämlich Arbeitsaufgaben gestellt, die eher auf ein Nacherzählen oder Auswendiglernen der Schulbuchinhalte ausgerichtet sind, als auf die Einforderung und Aktivierung fachlicher Denkprozesse. Neben den Ergebnissen zum Umgang mit Schulbüchern im österreichischen Geschichtsunterricht konnte das Projekt auch die wissenschaftlichen Diskussionen zur empirischen Beforschung von Geschichtsunterricht voranbringen. Mit der Forschungsmethode der "Triangulation" bzw. mixed-methods konnte hierbei ein neuartiges Forschungsdesign entwickelt und erprobt werden, das auch im internationalen Forschungsdiskurs zur Erforschung von Geschichtsunterricht breite Aufmerksamkeit erfuhr. Team: Christoph Kühberger, Roland Bernhard, Christoph Bramann Kontakt: Univ. Prof. Dr. Christoph Kühberger, Universität Salzburg, Fachbereich Geschichte, christoph.kuehberger@sbg.ac.at