Calderon als Komödiendichter
"El Calderon comico". The meaning of pure theatre.
Wissenschaftsdisziplinen
Philosophie, Ethik, Religion (20%); Sprach- und Literaturwissenschaften (80%)
Keywords
-
Baroque Art,
Calderon,
Theory of Comedy,
Rhythm,
The meaning of form,
Textual criticism
Rund 40 Komödien schrieb Caldern zwischen 1620 und 1650, wie es scheint, mit der Absicht, dem Hof und den theaterhungrigen Spaniern leichte, ingeniöse Unterhaltung zu bieten. So dreht sich die Handlung immer wieder um Liebe und die Verwirrungen und Intrigen, die einer oder mehreren Hochzeiten im Wege stehen. Die Forschung hebt meist den konventionellen Charakter dieser Stücke hervor oder die kunstvolle Konstruktion der Handlung, stellt sich jedoch selten der Originalität und tieferen Aussage der Werke. So werden Stücke wie La banda y la flor/ Die Schärpe und die Blume, Mejor est que estaba/ Es geht erwünscht oder Las manos blancas no ofenden/ Weiße Hände kränken nicht heute außerhalb Spaniens kaum aufgeführt und wenig studiert. Unser Projekt zielt auf eine philologische und kulturhistorische Neubewertung von Calderns Komödien und schlägt dazu ein vierstufiges Verfahren vor: Erstens sollen alle Bedeutungsebenen von Klang und Vers über Dialog, Bilder und Figuren studiert werden, ebenso die im Text enthaltenen ausdrücklichen und impliziten Regieanweisungen durch Caldern. Zweitens sollen die Elemente erfasst werden, welche die Handlung hervorbringen und antreiben. Caldern strebt immer wieder danach, Verwechslung, Täuschung und Maskerade so einzufädeln, das sich daraus zutiefst ambivalente, ja paradoxe Situationen ergeben und so auf subtile Weise das Zusammenspiel von Leidenschaft, Zufall, Fortuna und Schicksal deutlich wird. Daraus erwächst, drittens, die Frage nach der tieferen Aussage der Komödie. Könnte sie in der Art und Weise impliziert sein, in der sie Elemente der Handlung verknüpft und damit menschliches Handeln in der Zeit exemplarisch vergegenwärtigt? Auf Basis der so gewonnenen Erkenntnisse kann viertens auch das Problem der kulturellen Relevanz des Kernthemas der Komödie, Liebe und Heirat, neu und genauer gestellt werden. Davon wären neue Erkenntnisse dazu zu erwarten, wie die möglichen Welten des Theaters mit der Welt außerhalb des Theaters verbunden waren. Parallel zur Mikroanalyse des Caldernschen Komödienschaffens sollen drei zweisprachige Editionen ausgewählter Stücke vorbereitet werden. Damit kommt die Geschichte der Aufführungen im deutschsprachigen Raum in den Blick. Indem wir das Nachwirken Calderns durch die Jahrhunderte, von Molière bis Mozart, E.T.A. Hoffmann bis H.C. Artmann verfolgen, möchten wir der Frage nach Originalität, kultureller Stellung und Funktionen der Calderonschen Komödie historische Tiefenperspektive verleihen und zeigen, dass die Komödie, auch wenn sie Themen wie Ehre, Eifersucht und Rivalität unter Geschwistern nicht auf ernste Weise behandelt, so dennoch auf die brisanten Konfliktzonen der Kultur deutet.
Final report El Caldern cmico Zusammenfassung The Bezirke der Komödie sind keine Vorstädte der Kunst. Caldern schrieb eine stattliche Zahl an comedias in leichtem, komödiantischem Ton. Diese Werke sind für die Geschichte des Sozialen und der Kultur genauso bedeutsam wie die ernsteren und theologischen. Calderns Dramen und spanische Tragödien handeln von manipulierter Verwandtschaft, von problematischen Familienbanden und den schweren politischen Folgen, die aus der Hybris der Leidenschaft und dem Missbrauch der Macht erwachsen können; seine Komödien dagegen vom Kampf der Generationen, vom Recht der Jungen, gegen den Willen der Väter zu heiraten. Das Drama erkundet die zerstörerischen Kräfte falscher Illusionen; Komödie die Verstrickungen, die dem Zufall erwachsen. Sie ruft nicht Mitleid und Furcht wach, sondern die Lust an dramatischer Ironie, daran, das Spiel der ungleichen Verteilung von Information zwischen den Figuren auf der einen Seite, dem Publikum auf der anderen, welches der Dichter anzettelt, mitzuspielen. Wie in einem Schachspiel laden komische Verwicklungen die Zuseher ein, Rätsel zu lösen und die Möglichkeiten und Überraschungen, die einer Situation innewohnen, rasch zu erfassen und vorherzusehen - kognitives Training für die Wechselfälle des wirklichen Lebens. Wenn sich auf der Bühne Identitäten verdoppeln und Figuren in eine Tag- und eine Nachtseite aufgespalten werden, dann schürft die Komödie aber tiefer: sie untersucht die Spannung der bekannten und der geheimen Anteile einer Person, die Konflikte zwischen ihrer öffentlichen Rolle und ihrer unterdrückten, unbewussten Anteile. Wo aber Hochzeiten angebahnt werden, da steht alles auf dem Spiel, da steht zunächst der Clan der Braut gegen den Bräutigam, und oftmals nehmen Komödien gerade noch eine glückliche Wende, bevor es zum tragischen Zwischenfall kommt. Unterhalb der oft wiederholten Handlungsschemata, auf der Mikroebene der Verse und Dialoge, werden stets Fragen größter Brisanz verhandelt: unsichere Vaterschaft etwa, Familienbande, die auf Verwechslung und falschem Schein beruhen; Schwangerschaft, Fortpflanzung und damit die Zukunft eines Hauses, einer Dynastie, sobald sich alles zum Guten wendet. Wenn Caldern Dramen schreibt, dann stellt er die Kommunikationsstrategien der öffentlichen, politischen Sphäre auf die Probe. Die Komödie dagegen wägt die Varianten von Sprechakten und Handlungen im Raum der Familie und der Verwandtschaft ab - einem Raum, der immer die Grundlage des Sozialen insgesamt darstellt: Wie geht ein kluger Freier vor? Wie kann Eifersucht erzeugt und gekontert werden? Wie soll ein Liebesgeheimnis bewahrt werden? Die Musik des Verses steigert Sprache und gibt dem Publikum ein gesteigertes Lebensgefühl. Die Musik des Verses kommuniziert mit den übrigen Rhythmen einer Zeit und Kultur, trägt zu deren einzigartigem Stil und Gepräge bei. Versrhythmus öffnet Tore zum geteilten Imaginären, zu kollektiven Emotionen. Versrhythmus führt zu den Pulsschlägen des Sozialen, nach denen die Menschen im Spanien des 17. Jahrhundert tanzten, kämpften und liebten.
- Universität Wien - 100%
Research Output
- 12 Zitationen
- 13 Publikationen
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2018
Titel Nadie fe su secreto Typ Book Autor Calderón P. editors Casariego P.d Verlag Iberoamericana -
2018
Titel El Siglo de Oro de la comadre: testimonios de Inés de Ayala DOI 10.15581/001.21.026 Typ Journal Article Autor Aichinger W Journal Memoria y Civilización Seiten 11-41 Link Publikation -
2017
Titel La comedia cmica de Caldern Typ Book Autor Aichinger W. editors Aichinger W., Kroll S., Nitsch W. Verlag Iberoamericana -
2017
Titel «VERDADEROS Y FINGIDOS PAPELES» EN «FARSAS DE NOCHE». LOS MOMENTOS MÁS CALDERONIANOS DE CALDERÓN DOI 10.31819/9783954879939-002 Typ Book Chapter Autor Aichinger W Verlag Vervuert Verlag oHG Seiten 19-36 -
2018
Titel Childbirth Rhythms and Childbirth Ritual in Early Modern Spain, together with some Comments on the Virtues of Midwives DOI 10.13035/h.2018.06.01.29 Typ Journal Article Autor Aichinger W Journal Hipogrifo. Revista de literatura y cultura del Siglo de Oro Seiten 391-415 Link Publikation -
2018
Titel Literatura y parto en la Iberia de la temprana Modernidad: apuntes para una propuesta de corpus y análisis de fuentes literarias DOI 10.13035/h.2018.06.01.30 Typ Journal Article Autor Castiñeira P Journal Hipogrifo. Revista de literatura y cultura del Siglo de Oro Seiten 417-431 Link Publikation -
2018
Titel Unseen Heirs. Written Traces of Pregnant Widows and Posthumous Children in Early Modern Spain (c. 1490-1673) DOI 10.13035/h.2018.06.01.31 Typ Journal Article Autor Dulmovits A Journal Hipogrifo. Revista de literatura y cultura del Siglo de Oro Seiten 433-449 Link Publikation -
2018
Titel Divine Interference in Royal Affairs: New Perspectives on Lucina, the Roman Goddess of Birth and Shadow of the Virgin Mary in Catholic Early Modern Spain DOI 10.13035/h.2018.06.01.32 Typ Journal Article Autor Fischer-Monzón H Journal Hipogrifo. Revista de literatura y cultura del Siglo de Oro Seiten 451-465 Link Publikation -
2018
Titel Pregnancy: Privileges and Protection in the Spanish Golden Age DOI 10.13035/h.2018.06.01.33 Typ Journal Article Autor Kremmel N Journal Hipogrifo. Revista de literatura y cultura del Siglo de Oro Seiten 467-481 Link Publikation -
2021
Titel Manos y materia. Volver tangible la sociabilidad en el parto áureo DOI 10.13035/h.2021.09.01.42 Typ Journal Article Autor Aichinger W Journal Hipogrifo. Revista de literatura y cultura del Siglo de Oro Seiten 701-743 Link Publikation -
2020
Titel El teatro clsico español en Alemania Cuatro siglos y veinte años de recepcin; In: La traduccin del teatro clsico español (siglos XIX-XXI) DOI 10.30687/978-88-6969-490-5/005 Typ Book Chapter Verlag Fondazione Università Ca' Foscari -
2022
Titel De la gracia en Caldern (II): lögica y comicidad Typ Journal Article Autor Ortega M. Journal Hipogrifo Seiten 699-715 -
2022
Titel Los empenyos de un acaso/ Die Verwicklungen des Zufalls Typ Book Autor Calderón Verlag Reichenberger